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Jugendliche – eine herausfordernde und dankbare Zielgruppe

20.12.2022

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6 min

Wenn Sie sich als touristische Anbieter als Spezialisten für Familien aufstellen, ist das eine sehr dankbare und gleichzeitig herausfordernde Aufgabe. Familien sind heute in diversen und bunten Konstellationen aufgestellt: in Auswahl kommen zur traditionellen Mutter-Vater-Kind(der)-Variante, Patchwork-Konstellationen, mit Großeltern Reisende und Familien, in denen die Elternpaare gleichgeschlechtlich sind.

Was sich nicht verändert hat: aus Kindern in Familien werden Jugendliche, die mit ihren Eltern im Urlaub sind. Das ist interessant, weil es sich in den unmittelbaren Angeboten vor Ort oft nicht widerspiegelt.

Ich habe mich mit Michael Langner von vamos getroffen und ihn dazu befragt, was Angebote für Jugendliche heute haben müssen, damit sie von der Zielgruppe angenommen werden. Der hannoversche Reiseveranstalter vamos-Eltern-Kind-Reisen, bietet seit 35 Jahren Reisen mit Kinderbetreuung an und sammelt seit 15 Jahren auch Erfahrungen mit expliziten Angeboten für Jugendliche

Zwischen Baum und Borke

Wann fangen Kinder an, sich als jugendlich zu begreifen? Vor fünfundzwanzig Jahren wäre hier klar die Gruppe der Teenager benannt worden. Seit etwa zehn Jahren zeichnet sich in der Praxis, so die Erfahrungen bei vamos, eine Zuordnung ab zwölf Jahren ab. Das bedeutet für die Gestalter*innen von Angeboten für Jugendliche, eine Gruppe von zwölf  bis ca.16 Jahre zu adressieren. Diese Altersspanne umfasst nur vier Jahre und doch können (Entwicklungs-)Welten dazwischen liegen. Es gibt auch Zwölfjährige, die gerne noch die Angebote für Kinder wahrnehmen. Beachtet werden müssen bei solchen altersübergreifenden Angeboten die Rahmenbedingungen der Aufsichtspflicht, die in der Altersspanne individuell angepasst werden müssen.

Der Urlaub mit der Familie unterscheidet sich für die Jugendlichen von selbst gestalteten Urlaubssituationen mit Freunden oder in Jugendgruppen. Das Credo bei vamos ist seit über 30 Jahren „Zeit für mich – Zeit für Dich“: Das gilt auch für die jugendlichen Gäste. Mit der Jugendgästebetreuung werden den Teens Freiräume von den Eltern ermöglicht und die Verbindung mit einer Peergroup.

Für das Jugendalter ist kennzeichnend: die Kinder nehmen Abstand von den bislang für sie prägenden Eltern und orientieren sich in der Welt der Gleichaltrigen, in selbstgewählten Peergruppen. Die Peergroup bestimmt über Kleidungsstil, Musikvorlieben, Freizeitgestaltung und vor allem auch über Verhaltensweisen.

Der früher langersehnte Familienurlaub wird für Heranwachsende manchmal zum Kompromiss, da er die Zeit mit den gemeinsamen Freunden unterbricht. Und das ist völlig unabhängig davon, dass Familie und Beziehungen für Jugendliche, die zentralen Orientierungspunkte bleiben. Das stellt die gesamte Familie vor Herausforderungen an Toleranz und Loslassen. (Vergl.: www.shell.de Shell Jugendstudie 2019).

Daher, meint Michael Langner, sei bei der Gestaltung von Programmangeboten für Jugendliche besonders wichtig, deren Vorlieben zu berücksichtigen und aktuelle Trends aufzugreifen.

Auszeit von den Eltern

Im Trend stehen bei den Jugendlichen weiter Begegnung und Bewegung: Sport und Geländespiele wie beispielsweise „Capture the Flag“ und Schnitzeljagden sowie in der Herausforderung dem Alter angepasste Rallyes. Das übergeordnet Verbindende dieser Aktivitäten ist die Kombination aus kognitiven und körperlichen Anforderungen, der die Jugendlichen sich in Gruppen gerne stellen.

Bei expliziten Angeboten im sportlichen Bereich kommt es, nach Beobachtung des erfahrenen Jugendbetreuers Michael Langner, besonders auf die Offenheit der Angebote an. Ein sportliches Angebot am Strand, welches auf Beachvolleyball begrenzt ist, schließt die aus, die sich weniger Ball-affin fühlen. Daher sollten Gestalter*innen immer einen Plan B in der Tasche haben oder Ideen, welche Rollen anderweitig im Rahmen der Aktion verteilt werden können.

Die Hotels tun gut daran, den Jugendbereich klar vom Kinderbereich abzugrenzen, da die Jugendlichen viel Wert auf das Erwachsen aus der Kinderzeit und dem damit verbundenen neuen Status legen. Es braucht einen gesonderten Treffpunkt, bestenfalls einen angemessen gestalteten Raum, an dem die Zielgruppe sich findet, treffen kann.

Ausflüge in der Gruppe beschreibt Michael Langner als die Highlights im Programm für Jugendliche. Das Erleben eines Ausflugs unterscheidet sich deutlich, ob Jugendliche mit Eltern und Geschwistern oder einer Gruppe unterwegs sind.

Bei regelmäßigen Programmangeboten achtet er immer darauf, auch Zeit zum gemeinsamen Abhängen, Chillen zu gewähren, denn die Qualität für die Jugendlichen liegt zu einem starken Anteil darin, gemeinsam Zeit zu verbringen.

Gemeinschaftsstiftende, kommunikationsfördernde Spiele wie "Die Werwölfe von Düsterwald" sind noch immer bei Jugendlichen im Trend, weil sie ein unkompliziertes Kennenlernen ermöglichen. Strategien zur Lösungsfindung und Arbeitsteilung fordern Jugendliche heraus und fördern das Erleben von Selbstwirksamkeit und Kompetenzen.

Digital Natives

Die digitalen Möglichkeiten von Smartphones und Tablets sind heute nicht mehr aus Programmangeboten für Jugendliche auszuklammern. So steigt die Attraktivität für jegliche Form von Angeboten, wenn die Möglichkeit besteht, das Erlebte über die Social-Media-Kanäle unmittelbar teilen zu können. Nach Langers Erfahrungen genießen die Jugendlichen sehr wohl den Moment, möchten ihn aber auch in die Welt schicken.

Die Angebote im Jugend-Gäste-Programm bei vamos-Reisen nutzen regionale Besonderheiten, das, was vor Ort angeboten wird und sich von den Möglichkeiten im Alltag unterscheidet. Aktionen am Feuer haben ungebrochen Wirkung auf Jugendliche, Übernachtungen in der Natur am Meer oder See, gemeinsam den Sonnenaufgang erleben. Dabei ist es wichtig, eine Interesse weckende Sprache zu finden. So hat es sich nach Michael Langner bewährt, beispielsweise nicht von der Wanderung zum Strand, sondern vom „Fotoshooting“ am Meer zu sprechen. Und immer wieder taucht der Aspekt auf, wichtig ist für die Jugendlichen vor allem das Miteinander, nicht die Challenge.

Die Jugendlichen sind mit medialen Formaten vertraut, die gern genutzt werden: so ist eine Renaissance von Karaoke in diesem Jahr ein Dauerbrenner gewesen. Im Rahmen der Programmangebote von vamos spielt Gaming keine nennenswerte Rolle, was für die jugendliche Zielgruppe allgemein jedoch einen beliebter Freizeitausgleich darstellt. Eine repräsentative Umfrage (Bitcom) unter zehn bis 18-Jährigen kommt zu dem Ergebnis, dass 89 Prozent dieser Altersgruppe Computer- oder Videospiele spielen. Damit verbringen sie im Schnitt mehr als zwei Stunden täglich. 70 Prozent spielen mehr als eine Stunde am Tag. (www.bitkom-research.de)

Das Geheimnis guter Angebote für Jugendliche

Michael Langner ist sicher, wann immer die Jugendlichen mit den Angeboten ernst genommen werden, die Gruppenbildung aktiv unterstützt wird, kann es erfolgreich sein.

Jugendliche brauchen:

  • Begleiter*innen, welche Lust darauf haben, mit Jugendlichen zu arbeiten
  • Augenhöhe in der Ansprache (Vorsicht, nicht die Jugendsprache adaptieren!)
  • einen „neutralen“ Ort, wo sie ohne Eltern zusammenkommen können
  • ein organisiertes Kennenlernen zur Überwindung von Berührungsängsten

Bei Hotelaufenthalten weiß Michael Langner zu berichten, kann beispielsweise die Gründung einer WhatsApp-Gruppe die Kontaktaufnahme erleichtern. Und da merkt die Autorin, wie wichtig es ist, das Verhalten der Jugendlichen nicht mit den eigenen Werten zu beurteilen, denn die Jugend hatte schon seit tausenden Jahren das Privileg, für den Verfall der Werte zu stehen.

Alte und neue Trends

Als neue und bewährte Trends für Jugendliche war in der Saison 2022 zu beobachten:

  • Fotoshootings an besonderen Plätzen, Sonnenuntergänge und ähnliches
  • Urlaubsvideos drehen, unter Wasser, über Wasser, Schnitt und Präsentation
  • diverse Wassersportangebote, zum Beispiel Stand-up-Paddling (bedarf keiner Sportlichkeit und ist leicht zu erlernen, fördert Ausdauer, Kraft und Gleichgewichtssinn)
  • Geländespiele, Orientierung in der Natur (mit coolen Namen)
  • Evergreen: Gruselgeschichten erzählen
  • Nachtwanderungen als Spiel im Dunklen (zum Beispiel Catch me)
  • Padel-Tennis und Spikeball als Trendsportarten

Das Interesse für Freunde, Sport, Musik, Smartphone/Internet und Familie belegt auch die jüngste Sinus-Jugendstudie 2020 (https://www.sinus-institut.de/media-center/presse/sinus-jugendstudie-2020)

Angebote wie Upcycling oder andere Aufgaben, die das Thema Nachhaltigkeit streifen, sind für junge Menschen grundsätzlich spannend. Dazu braucht es gute Formate (Workshops, interaktive Führungen, Experimente, Expeditionen), die in der Annahme stark mit dem Engagement der Menschen korrelieren, die das Angebot durchführen.

Und da sind wir abschließend bei den Begleiter*innen der Jugendlichen, den Jugendbetreuer*innen. Sie brauchen, so Michael Langner, Mut und ein großes Herz für die Zielgruppe. Was mit Abstand manchmal nicht gleich sichtbar ist: Aus der Nähe und im Kontakt sind Jugendliche zugewandt, brauchen Anerkennung für sich und ihre Fragen, Themen, Ängst (Shell Jugendstudie 2019) und viel Raum, sich körperlich und sozial auszuprobieren – als ihre zentrale Entwicklungsaufgabe auf dem Weg zum Erwachsensein.

Die Idee hinter den Angeboten für Jugendliche sollte auch sein, eine Vernetzungsplattform zu schaffen. Im Familienurlaub auch Gleichaltrige vor Ort kennenzulernen und Freunde zu finden, sodass auch Jugendliche den Urlaub mit der Familie genießen können.